Argumente: Mehr Sicherheit für den Radverkehr

Der Anteil des Radverkehrs ist in der Metropolregion Hamburg in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies führt auf Seiten der Radler zu Forderungen nach verbesserten und sicheren Verkehrswegen.

Besonders bei Mitbürgern, die nicht viel mit dem Fahrrad unterwegs sind, finden wir oft irrige Vorstellungen vom Radverkehr, die wir hier kurz korrigieren möchten:

1. Das Fahrrad ist ein reines Freizeitverkehrsmittel und hat im regulären Straßenverkehr keine Bedeutung und daher auch nichts zu suchen.

Es ist richtig, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel in der Phase der zunehmenden Motorisierung des Straßenverkehrs in den 50er bis 70er Jahren stark an Bedeutung verloren hatte. Es galt damals zunehmend als ‚unmodern‘ und als Verkehrsmittel für Kinder und Jugendliche, alte Menschen sowie Menschen, die sich Führerschein und Auto finanziell nicht erlauben konnten. Diese Sichtweise hat in konservativen Schichten zum Teil bis heute überlebt und erklärt die teilweise emotional heftig vorgetragenen Gegenargumente zu den Forderungen von Radlern.

Zudem sind Straßen, sofern sie nicht besonders gekennzeichnet sind wie z.B. Kraftfahrstraßen, Autobahnen etc. allgemeine Verkehrsflächen und sind keineswegs dem motorisierten Verkehr vorbehalten.

Seit den 80er Jahren nimmt der Anteil der Radler ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau stetig zu. Die traditionellen Radlergruppen wie Schulkinder und ältere Menschen wurden verstärkt durch immer mehr Radler, die das Fahrrad als reguläres Nahverkehrsmittel verwenden. Hinzu kam in den vergangenen 10 Jahren ein stetig zunehmender Anteil des Fahrrads am Berufsverkehr.

Von mangelnder Bedeutung kann somit keine Rede sein. Ganz im Gegenteil. Nicht nur in Hamburg, sondern in nahezu allen Metropolen der westlichen Welt steigt der Anteil des Radverkehrs stetig zu lasten des motorisierten Verkehrs.

2. Das Fahrrad wird überwiegend von älteren Menschen sowie Kindern und Jugendlichen verwendet. Daher sind die Verkehrswege für den Radverkehr ausschließlich an diesen Zielgruppen auszurichten.

Die Aussage war in der Vergangenheit bis in die 80er Jahre hinein für die meisten Städte – auch für Hamburg – sicher richtig, trifft aber die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre in keiner Weise. Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren sowie älteren Menschen steht als autonomes Verkehrsmittel für eine zügige Fortbewegung neben dem ÖPNV auch heute noch im Wesentlichen nur das Fahrrad zur Verfügung. Diese Gruppen fahren daher unverändert viel Fahrrad. Lediglich bei Kindern hat das Mama-Taxi zum Teil das Fahrrad ersetzt. Diese Zielgruppen erklären aber in keiner Weise das zum Teil dramatische Wachstum des Radverkehrs der vergangenen 25 Jahren in den Ballungsräumen. So ist das Fahrrad für immer mehr sportliche Erwachsene das reguläre Verkehrsmittel der Wahl für den Arbeitsweg und im Nahbereich.

3. Radfahrer halten sich an keine Regeln und stellen ein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr dar.

Es ist sicher richtig, dass zahlreiche Radler sich an keine Regeln halten. Fahren ohne Licht oder auf der falschen Straßenseite sind weit verbreitet. Ebenso das Queren von Kreuzungen ‚auf Sicht‘, also auch bei rot.

Aber, Fehlverhalten im Straßenverkehr sind kein spezielles Verhalten von Radfahrern. Regelwidriges Verhalten ist nicht zuletzt auf Grund des geringen Kontrolldruckes und der ausgesprochen geringen Ordnungsstrafen in Deutschland, weit verbreitet. So hält sich nur eine gefühlte Minderheit der Autofahrer an vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeiten. Das Überfahren von Ampeln bei rot nimmt mit abnehmender Kontrolldichte deutlich zu.

Der Unterschied zwischen Autofahrern und Radfahrern liegt somit nicht im überhöhten Fehlverhalten einer der Gruppen, sondern liegt in der Schwere der Unfallfolgen. Sich regelwidrig und gefährlich verhaltene Autofahrer verursachen mit hohem Risiko schwere Verletzungen und auch Tote bei anderen Verkehrsteilnehmern. Häufig sind dieses Geschädigten Fußgänger und Radfahrer.

Radfahrer schädigen dagegen überwiegend sich selbst. Von Unfall verursachenden Radlern getötete oder schwer verletzte Autofahrer sind mir nicht bekannt.

4. Radfahrer gehören auf den Radweg! Das Fahren auf den Straßen ist für Radfahrer viel zu gefährlich!

Zahlreiche vor allem ältere Radfahrer glauben, dass Radwege zur Verbesserung der Verkehrssicherheit für Radler geschaffen wurden. Das ist ein Irrtum. Radwege wurden eingeführt, um den Autoverkehr zu beschleunigen. Diesem Irrtum unterlagen auch die ersten Initiativen zur Verbesserung der Bedingungen für Radler. Diese zielten auf eine Sanierung der Radwege ab ohne diese in Frage zu stellen.

Umfassende Untersuchungen der Unfälle mit Schädigung von Radfahrern zeigen bei steigendem Radverkehr zunehmend ein kritisches Bild für die Sicherheit auf Radwegen: Insgesamt sind die Unfallhäufigkeit und die Unfallschwere für die klassischen Radwege im Vergleich zum Radfahren auf den Straßen größer und damit in der Bilanz negativ. Radwege stellen für Radler – aber auch für Fußgänger – ein kritisches Sicherheitsrisiko dar.

5. Wie begründet man das erhöhte Sicherheitsrisiko für Radwege?

Die überwiegende Zahl der schweren Unfälle mit Personenschaden bei den Radlern geschehen durch das Übersehen der Radler durch die abbiegenden und kreuzenden motorisierten Verkehrsteilnehmer (PKW, LKW, Bus, Motorrad).

In Hamburg wurden laut Aussage des Senats im letzten Jahr 1870 Radler bei Zusammenstößen mit motorisierten Verkehrsteilnehmern verletzt und 9 getötet. Von den 1870 verletzten Radlern wurden 1117 (59,7%) durch abbiegende oder kreuzende motorisierte Verkehrsteilnehmer verletzt. Die Zahl der Getöteten lag bei 8 von 9 Toten (88,9%)!

Auch wenn diese Zahlen für 2014 noch nicht nach ‚Radler befuhr Fahrbahn‘ und ‚Radler befuhr Radweg‘ aufgeschlüsselt wurden – dies wird erst ab 2016 geschehen – so kann man doch mit großer Sicherheit feststellen, dass diese enorm hohen Zahlen an Verletzten und Getöteten nahezu vollständig zulasten des Fahrens auf den Radwegen geht. Die bessere Sichtbarkeit der Radler auf der Fahrbahn verhindert nicht alle Risiken für die Radler, aber nahezu all diejenigen, die durch abbiegende und kreuzende motorisierte Verkehrsteilnehmer verursacht werden. Es ist zu erwarten, dass die Unfallstatistik für 2016 diese Annahme bestätigen wird.

6. „Ich fühle mich auf Radwegen sehr viel sicherer als auf den Straßen?“

Die überwiegende Zahl der Radler fühlt sich in der Tat auf den Radwegen sicherer als auf der Fahrbahn, obwohl die Unfallstatistiken diese gefühlte Sicherheit für die Radwege in keiner Weise bestätigen. Diesem subjektiven Sicherheitsgefühl muss bei neuen Radverkehrskonzepten hinreichend Rechnung getragen werden. Niemand sollte zu mehr Sicherheit durch Fahren auf den Fahrbahnen gezwungen werden.

7. Auf der Straße fahrende Radler behindern den Autoverkehr, besonders den Wirtschaftsverkehr.

Ein fahrender PKW benötigt etwa das 15-fache des Verkehrsraumes eines Radlers. Radler können auf den Fahrbahnen sehr viel leichter mit vernünftigem Sicherheitsabstand überholt werden, als PKW. Nicht Radler verstopfen die Straßen für den Wirtschaftsverkehr, sondern der motorisierte Kurzstrecken- und Pendlerverkehr und dieser ist damit der eigentliche Stauverursacher.

8. Fahrradstreifen und besonders Schutzstreifen gefährden das Leben von Radfahrern, besonders das von Kindern und älteren Menschen.

Dies ist eine Behauptung, die durch keine Unfallstatistik und keine Erfahrung bestätigt wird. Es ist eine Behauptung, die keiner Prüfung stand hält (siehe 5).

Während die durchgezogene Linie der Fahrradstreifen vom motorisierten Verkehr nicht überfahren werden darf, ist diese Überfahrung der gestrichelten Linien der Schutzstreifen zulässig.

Schutzstreifen werden nur in solchen Straßen eingerichtet, die für Anlage von Fahrradstreifen zu schmal sind.

Nicht die Schutzstreifen stellen ein Sicherheitsrisiko dar, sondern Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern. Radfahrer würden überhaupt keiner Schutzstreifen bedürfen, wenn sich die motorisierten Verkehrsteilnehmer alle gemäß der Straßenverkehrsordung rücksichtsvoll und mit Einhaltung gebotener Sicherheitsabstände verhalten würden.

9. Radfahrer sollten eine Fahrschule besuchen und eine Prüfung ablegen müssen.

Wer dieses ernsthaft fordert, fordert damit auch das Verbot des Radfahrens für alle Kinder. Will man das wirklich? Das wäre absurd!

Nahezu alle radfahrenden Erwachsenen, die durch regelwidriges und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr auffallen, haben eine Fahrschule besucht und sind im Besitz eines Führerscheins…

Die Forderung ist offensichtlich undurchdacht und unhaltbar.

10. Radfahren ohne Helm gehört verboten.

Radfahren ohne Helm ist eine große Dummheit. Dummheit ist aber noch nicht strafbar. Das Schadensrisiko liegt alleine beim Radler, der ohne Helm fährt…

11. Seit Radfahrer auf der Straße fahren kommt es vermehrt zu schweren Unfällen.

Seit die Zahl der Radler ansteigt, kommt es vermehrt zu schweren Unfällen mit Radlern. Der Anstieg der Unfallzahlen ist aber keineswegs korreliert mit dem steigenden Anteil des Fahrens auf der Fahrbahn. Dieser Nachweis wurde bisher auch nicht erbracht.

12. „Warum sollte ich für den Weg zur Arbeit oder in die City das Fahrrad nehmen? Damit bin ich doch sehr viel langsamer als mit dem Auto!“

Das kommt darauf an …

Sind die Straßen leer und muss man am Zielort nicht lange einen Parkplatz suchen, ist man mit dem Auto häufig etwas schneller. Aber sicher ist das keineswegs.

Sind die Straßen aber durch den Berufs- und Wirtschaftsverkehr hochbelastet, wie das in Hamburg werktags überwiegend der Fall ist, so ist man als trainierter Radler zumindest bei Strecken bis zu 15 km mit dem Fahrrad zum Teil erheblich schneller, als mit dem Auto. Rechnet man die Parkraumsuche noch dazu, wird das Fahrrad zumeist in der Schnelligkeit im Stadtverkehr kaum zu schlagen sein.

13. „Das Fahrrad spielt im Berufsverkehr nur eine untergeordnete Rolle und das wird auch so bleiben …“

Der Anteil der Radler am Berufsverkehr ist keine statische Größe. Er ist in Hamburg stark im Wachsen begriffen.

Umsteigen auf das Fahrrad ist neben der Verwendung des ÖPNV das stärkste Mittel der Pendler gegen die tägliche Stauerfahrung.

 

Mathias Schmitz